Hallo, ich bin es Squishy, der fröhliche, Scheren schwingende Tintenfisch. Ja, herzlichen Glückwunsch, liebe skeletttragende Egomanenspezies! Ihr habt es geschafft, ihr könnt ein weiteres Mal feiern, dass man eurem Heiland den Pimmel gekürzt hat. Ja, das habt ihr nicht gewusst, oder? Das ist der erste Januar, der Tag im Jahr, an dem der Tradition der christlichen Kirche der Beschneidung von Jesus gedacht wird.
Tolles Häppchen überflüssigen Wissens: Etwa zeitgleich mit der Einführung des Gregorianischen Kalenders vor, keine Ahnung, knapp 440 Jahren, setzte sich in großen Teilen Europas durch, dass das Jahr mir dem ersten Januar anfing und am 31. Dezember auch wieder aufhörte. Das hatten teilweise die Römer schon eine Weile so gemacht, aber das fanden die frühen Christen kacke und haben lieber an so klobigen Daten wie dem 25. März oder dem gleichen Dezember diesen Jahreswechsel vorgenommen. Und tatsächlich: Am 01. Jänner (wie die Alpenjockeys sagen) das neue Jahr zu begrüßen, nennt sich „Zirkumzisionsstil“, weil man an diesem Tag angeblich dem Messias der neutestamentarischen Helissucher Teile der Vorhaut abgesäbelt hat. Diese Beschneidung heißt Zirkumzision und nach diesem Abschniepeln ist diese Zählweise benannt.
Dabei wird wieder einmal deutlich, wie willkürlich eigentlich der ganze Zinnober um den Jahreswechsel ist. Klar, das Jahr hat gut 365 Tage, die Erdkugel braucht also tatsächlich ca. 365 ein Viertel Tage, um es einmal im Orbit um die Sonne zu schaffen. Aber da einen Anfang suchen und finden zu wollen, ist ziemlich albern – so als wolle man den Anfang eines Kreises finden. Dass die Römer hier auch einmal angefangen hatten, die Tage eines neuen Jahres zu zählen, macht es nicht unbedingt besser. Es war auch da nicht ansatzweise einheitlich und man hatte allerlei komische Vorwände, um den vermeintlichen Jahresanfang hier oder dorthin zu legen.
Dass man diese so oder so schon wahllose Zählweise jetzt auch noch nach dem großen Schnipp-Schnapp-Vorhaut-ab Christi benannt hat, zeigt ganz wunderbar, wie nichtssagend eigentlich der Beginn des „Neuen Jahres“ ist. Man hätte genau so gut auch den Tag nehmen können, an dem Jesus seinen ersten reifen Pickel hat ausdrücken können (03. März), oder den, an dem Moses das erste Mal nach einem ordentlichen Suff mit seinem Ziehbruder Pharao an die Ostseite der Chephren-Pyramide gekotzt hat (23. Juli).
Es ist ziemlich menschentypisch, dem kontinuierlichen Fluss der Zeit eine Struktur aufzwingen zu müssen. Es macht allerdings so gar keinen Sinn, diesem einen Tag, dem Jahrestag der christlichen Schwengelkürzung so eine gigantische Bedeutung zuschreiben zu wollen, dass man denkt, danach würde ja irgendwie alles anders. Es werden Vorsätze gefasst, an die sich kein Schwein halten wird, es wird sich maßlos besoffen und ein vermeintlicher Neuanfang normalerweise mit ordentlich Feinstaub produzierenden Hobby-Explosionen zelebriert. Dabei läuft die Zeit unaufhaltsam mit weitgehend gleichbleibender Geschwindigkeit (zumindest in unser aller Wahrnehmung) weiter. Was ändert sich denn mit dem Übergang (in diesem Fall) von Jahr Nummer 2020 nach der vollkommen verkalkt fehlerhaft angenommenen Geburt besagten kurzschwänzigen Messias zu Jahr 2021 nach derselben? Dass, sollte die Figur Jesu tatsächlich jemals den Hobel auf Erden geschwungen haben, er definitiv nicht im Jahr 0, sondern wahrscheinlich ein paar Jahre früher geboren wurde, ist vielleicht inzwischen einigermaßen bekannt. Die Bedeutung der Jahreszahl alleine ist also bereits nicht existent. Dass man nun aber auch noch denkt, im „Neuen Jahr“ würde alles anders, besser oder schlechter (man hofft zuerst das eine, realisiert dann aber im Verlauf der kommenden Monate das andere) ist umso schwachsinniger. Das einzig Besondere ist, dass es 366 Tage (2020 war ein Schaltjahr) her ist, dass einige Eingeweihte der Rüssel-Kappung des Heilands gedacht haben. Und wenn in 365 Tagen dieser wunderschöne Gedenktag sich ein weiteres Mal einstellt, ist es Zeit zurückzublicken… zurückzublicken auf die vergangenen Monate.
Seit dem letzten Vorhaut-Tag gab es erst Waldbrände in Australien, die ihr inzwischen vergessen habt, weil sich seitdem gezeigt hat, dass in eurem Land gar keine Demokratie mehr herrscht. Es herrscht übrigens auch keine Diktatur, nee. Das Aufkommen einer Pandemie, die weltweit Millionen eurer Artgenossen das Leben gekostet und andere vielleicht nachhaltig geschädigt hat, hat bewiesen, dass ihr euch in einer Egokratie befindet, in der die Befindlichkeiten des Einzelnen wichtiger sind als die eures Nächsten, in der ihr mal lieber auf die Bequemlichkeiten des eigenen Daseins achtet als auf Leben und Unversehrtheit des metaphorischen Nachbarn. Dabei ist die Nächstenliebe, die Sorge um deine Mitmenschen doch eines der zentralen Motive in den Lehren eben jenes Typen, dessen Pimmelkürzung ihr gerade feiert.
Was erwartet ihr vom neuen Jahr? Ein Ende der Pandemie? Naja, auch wenn auf verschiedenen Querulanten-Demos schon vergangenes Jahr gemütlich um 16:30 besagtes Ende verkündet wurde, kommt das nicht von jetzt auf gleich. Und das Ende hat mit der Ankunft des ersten Impfstoffs (von vielen) im gerade vergangenen Jahr hoffentlich bereits begonnen und wird sich noch eine Weile hinziehen. Es unterwirft sich nicht dieser vollkommen arbiträren Unterteilung von Zeit in Einheiten, die von Präputiums-Kappungs-Feiern eingerahmt werden.
Grämt euch also nicht, liebe Menschen, wenn es in diesem Jahr keine Massenparties mit Auld Lange Syne gespielt von einem ranzigen DJ mit Überkämmfrisur, Luftballons oder gemeinsamem Anstoßen mit den ansonsten verhassten Nachbarn geben wird. Ihr verpasst nichts Wesentliches. Oder ist das so schlimm? Was habt ihr denn versäumt, dass ihr euch darüber aufregen könntet? Die Gedenkfeiern an die Pimmel-OP eines jüdischen Handwerkers. Mehr nicht.