sQuisHys QuiCkieS 14: iCh eRiNNeRe miCH…

Podcast-Version für Lesefaule, gelesen von mir, Squishy!:

HaLLo, icH biN eS, SquiShy, der denkwürdige Tintenfisch. Lassen wir mal Corona beiseite, so wie es die ganzen Leugner und Idioten tun, die sich in Massen da draußen auf der Straße tummeln oder ihren grobporigen Riechkolben über ihren Mund-Aber-Nicht-Nasen-Schutz stülpen. Für zwei Wochen aufgeflammt und dann wieder vergessen: Black Lives Matter. Dabei ist das Vergessen dieses (in einigen Landesteilen der USA wörtlichen) Aufstands fast schon wieder ironisch, denn neben der aktuellen Diskriminierung von Menschen, die aus irgendwelchen Gründen nun einmal eine andere Hautfarbe haben (Leute aufgrund ihrer Farbe unterschiedlich zu behandeln finde ich so oder so extrem dämlich, aber was weiß ich schon, wir Tintenfische wechseln unsere Farbe schneller, als ein hirnbefreites White Power Arschloch „Nigger!“ schreien kann), geht es auch um Erinnerung und Aufarbeitung von Vergangenheit. Bei den Amis ist es die Sklaverei und die nachfolgende Zeit der massiven Diskriminierung. Ihr Deutschen habt mit Vergangenheit aber ja auch so eure Schwierigkeiten.

Wir Tintenfische haben da ganz andere Probleme. Ein Oktopus lebt in der Regel nur zweieinhalb Jahre. Das ist vergleichbar mit Hamster und Ratte (erstere sind in erster Linie süß, letztere haben zusätzlich noch einen Tentakel zu bieten). Einer der Gründe für die Kurzlebigkeit meiner Artgenossen ist die ungünstige Angewohnheit, der Männchen schon beim Vermehrungsakt gefressen zu werden (was einige „geschicktere“ Exemplare dazu verleitet hat, unser Genmaterial in einem Tentakel zu speichern, sich diesen abzurupfen und damit das Weibchen zu bewerfen; die Dame ist dann mit diesem Fleisch-Dildo beschäftigt, während der Mann sich aus dem Staub macht.) Dass ich noch lebe, und zwar mit einem vollen Satz Tentakel, ist auch das Ergebnis einer gewissen Askese.

Dennoch: Abgesehen von kleineren Kabbeleien sind wir ein unter uns friedfertiges Völkchen. Wir sind Einzelgänger, da kommt es selten zu Konflikten und damit auch nicht zu dem einen Völkermord hier oder dem anderen Vernichtungskrieg dort. Was man als Einzelgänger dagegen braucht, sind gute Geschichten, die wir uns allerdings vor allem in mündlicher Tradition überliefern. Netflix läuft unter Wasser auf dem Riff nicht.

Ihr Menschen habt im Laufe eurer Geschichte eine Menge Scheiße gebaut. Aus Gründen neigt ihr sogar dazu, diese Scheiße regelmäßig zu wiederholen und nicht aus den Fehlern anderer zu lernen. Um so wichtiger ist das, was ihr als „Erinnerungskultur“ bezeichnet. Mit den Black Lives Matter Protesten ist das international wieder einmal in den Fokus gerückt.

Nebenbemerkung: Ja, natürlich ist es richtig, dass „all lives matter“. Das schließt BLM ja nicht aus, aber so lange es in einigen eurer Schrumpfköpfe nicht verankert ist, dass „all“ auch tatsächlich „black“ einschließt, muss man darauf halt explizit hinweisen! Und alle Pfosten, die „all lives matter“ skandieren, können oder wollen dieses Problem offenbar nicht erkennen. Ist das so schwer zu verstehen?

Erinnerungskultur wird auch in Deutschland immer wieder diskutiert und auch, wenn die Menschen hier durchaus eine finstere Kolonialgeschichte haben, die in Afrika einiges an Dreck angestellt hat, ist man hier vor allem mit der Zeit des Nationalsozialismus beschäftigt. Faschist Bernd Höcke hat entsprechend eine „180°-Wende in der Erinnerungskultur“ gefordert, was im Endeffekt nicht viel Sinn macht. Soll man statt zu erinnern nun vergessen? Soll man die Erinnerungen an eine schreckliche Zeit in Erinnerungen an eine tolle Zeit umdeuten? Eine Zeit, in der Fackelzüge und lustige Lagerfeuer an der Tagesordnung waren? Lagerfeuer, die aus den Büchern Andersdenkender oder am liebsten gleich aus den Autoren selbst aufgeschichtet worden sind? Ja klar, war eine tolle Zeit.

Nicht.

Kritiker einer dauernden Aufarbeitung der Nazi-Zeit (wobei, entschuldigt diesen Exkurs, ich muss mal ein Fußnoten-Plugin für WordPress suchen, hier die Ur-Nazis, nicht die heutigen Nazis gemeint sind, und was das alles ist, lest ihr bitte hier nach) sprechen schnell und gerne von Schuldkult, nicht etwa, weil das so ein lustiges Wort ist, sondern weil sie versuchen, aus der ganzen Debatte einen lustigen „Strohmann“ zu basteln (Hat jemand Interesse an einer Serie über Scheinargumente und logische Fehlschlüsse? Nein? Na gut…) und zu behaupten, die ständige Thematisierung der Grausamkeiten der Nazis wolle eine Art deutsche Erbsünde schaffen. Das ist natürlich Blödsinn. Allerdings, so hat es mir mal mein Mitbewohner erklärt, der mit seinem einen Gehirn vielleicht nicht der Hellste, aber als Deutscher ein direkt Betroffener ist, haben die Deutschen eine besondere Verantwortung dafür, dass so etwas wie Antisemitismus, Völker- und Massenmord nach Möglichkeit nicht noch einmal passieren. Warum? Nach dem, was das Land und sein Volk in der Geschichte mitgemacht haben, sollten sie es einfach besser wissen.

Ja, das gilt für alle, die so einen Dreck mal hinter sich gebracht haben, wo Ureinwohner ausgerottet, andere Menschen versklavt oder Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder ihres Aussehens, ihrer Religion oder aus irgendwelchen anderen Gründen kleingemacht wurden (ich kann die ganzen dämlichen Vorwände, aus denen ihr meint, euch eure knöchernen Köppe einschlagen zu müssen hier nicht alle aufzählen…) Die Aussage „andere haben aber auch…“ ist so grenzenlos dämlich, dass man sich wundert, dass eine Spezies, in der das ständig aufgebracht wird, überhaupt von den Bäumen runter gekommen ist.

„Andere haben auch Juden verfolgt! Warum müssen wir uns jetzt schuldig fühlen?“ Besser noch: „Was Stalin in Sowjetrussland alles an Menschen umgebracht hat… warum sollen wir uns immer wegen des Dritten Reichs schämen?“

a) Müsst ihr nicht.
b) Macht euch das jetzt besser?

„Andere haben auch mal jemandem eine Nagelkeule durch die fiese Fresse gezogen. Warum soll ich mich jetzt schuldig fühlen?“ Besser noch: „Der Typ da hat mit seiner Karre zehn Leute überfahren und sitzt jetzt wegen Totschlags im Knast. Ich habe nur diese eine Oma überrollt. Da reicht doch ein Punkt in Flensburg und das Bußgeld, weil ich den Zebrastreifen nicht beachtet habe, können wir vielleicht mit der Rente der Ollen verrechnen, die der Staat jetzt nicht mehr zahlen muss…“

Jeder Idiot, der sagt, man solle doch mal weniger über den Holocaust reden, ist Beweis genug, dass man mehr über Holocaust reden sollte…

Während in den USA und anderen Ländern jetzt der Bildersturm losgeht und man alle Statuen für Sklavenhändler und auch gleich alle Sklavenhalter abreißen will, geht auch hier bei euch die Debatte los, wie ihr mit Zeugnissen der Vergangenheit umgehen sollt. Heute erst, und das war der Auslöser dieses Textes, ließ die Zeitung „Die Zeit“ verlauten, man wolle die U-Bahnstation „Mohrenstraße“ in Berlin endlich mal umbenennen. Zur Erklärung: „Mohr“ ist eine inzwischen als abwertend angesehene Bezeichnung für Menschen afrikanischer Herkunft. Aber anstatt einfach zu sagen „Hm, okay, na dann…“ gehen die Traditionalisten gleich auf die Barrikaden. „Ist ‚Mohr‘ denn so schlimm? Haben wir doch früher alle gesagt?“ Stimmt, und vor 80 Jahren hat sich an „Scheißjude“ auch keiner gestört… „Mein Nachbar heißt ‚Mohr‘ mit Nachnamen, muss der sich jetzt auch umbenennen? [dümmlicher Lachsmiley]“ Hm. Okay. Überlegt mal: Der 2008 verstorbene Zahnarzt Dr. Ekkehardt Ficken aus Westerstede war Träger des Bundesverdienstkreuzes. Was würden diese ganzen Spacken wohl davon halten, wenn man nach Dr. Ficken eine Straße benennen wollte?

Nebenbemerkung: Wer meint, er müsse über diese Namen dümmlich kichern, der bedenke bitte noch einmal: Dr. Ekkehardt Ficken aus Westerstede hat des Bundesverdienstkreuz für sein Engagement in der Behindertenhilfe erhalten. Und was hast du in deinem Leben zustande gebracht, lieber Karl-Florian Müller? Du dummer Loser!

Mein Lieblingsargument für den Erhalt des Namens „Mohrenstraße“ ist aber genau das gleiche, das die Typen in den USA anbringen, wenn man die Statue eines sklavenhaltenden Südstaatengenerals wegreißen will: „Wie soll man sich an die Geschichte erinnern, wenn man ihr Andenken zerstört?“ Manche geben sich sogar ganz weltoffen: „Man bekämpft Rassismus nicht, indem man ihn verdrängt!“

Ja, zu dumm, dass man in Deutschland nach ’45 die ganzen Hakenkreuze weggekloppt und die Hitlerbilder aus den Amtsstuben entfernt hat. Jetzt habt ihr gar keine Chance mehr, das Dritte Reich mit allem Drum und Dran aufzuarbeiten. Und dass man die Adolf-Hitler-Straße in Dachau in „Frühlingsstraße“ umbenannt hat, ist bestimmt der Grund, wenn der Faschismus zurückkommt.

Sagt mal, wer wischt euch eigentlich den Arsch ab?