Von Gruselclowns, Zipfelmännchen und Süßwaren-Tourismus aus den falschen Gründen
HaLLo, iCh bIn eS sQuiShy, der verängstigte Tintenfisch. Es ist wieder diese Zeit des Jahres, in der die Zeugen Jehovas nicht die einzigen Gruselgestalten sind, die klingeld um die Häuser ziehen und und auf den Tintenbeutel gehen. Nein, während man den Rest des Jahres bei unerwartetem Türgeläut zur Nagelkeule greift, um die religös verstrahlten Gottesanbeterinnen in ihren schlecht sitzenden, keuschen Kostümchen von der Fußmatte zu jagen, sind es jetzt teils Kinder in liebevoll zurechtgemachten Verkleidungen, teils Jugendliche, die sich eine übergroße Gummimaske über den verpickelte Schädel gezogen haben, die schlimmere Ausdünstungen hat als ein Chemieunfall in Zentralindien.
Die Zeugen kommen und lassen mit freundlich debilem Grinsen immer etwas da, das man als Grillanzünder benutzen könnte, das sich aber „Wachturm“ nennt und uns mit kitschigen Bildern von Jesus und von Kindern belastet, die mit Tiger- und Bärenjungen in einem scheinbar veganen Paradies herumtollen. Das krude Weltbild dieser religiösen Randgruppe soll hier nicht das Thema sein, auch wenn ich kopfschüttelnd meine Blicke über die bunten Illustrationen huschen lasse, während die Zeitschrift langsam zwischen den Kohlen verglimmt. Man muss schon mit einem gewissen Respekt beachten, dass die Zeugen es geschafft haben, sich über die Zeit zu retten, obwohl sie von einem Verrückten Weltuntergangspropheten gegründet wurden, der die Apokalypse schon vor über 100 Jahren erwartet hatte. Nach wie vor träumen sie davon, dass eine kleine Zahl Auserwählter (den Vorhersagen des Predigers zufolge leider nur ein Bruchteil der heute aktiven Mitglieder dieser schrägen Sekte) am Ende der Zeiten in ein Paradies kommt, in dem auch die gefährlichsten Räuber zu Kuscheltieren mutieren und Babies sich wohlig in einem Haufen Feuerameisen suhlen können, während die kleinen Tierchen fröhlich und unbeschwert auf der Wampe des Menschenwelpen Walzer tanzen.
Hier geht es nicht um diese Art der Belästigungsversuche. Es geht um Halloween. Es geht um jenes Fest, über das sich einige grantige Ältere oder anderweitige kulturkonservative Gestalten aufregen, weil es „wieder so ein amerikanischer Blödsinn“ ist. Ersatzweise kann man auch Begriffe erwarten wie „neumodernen Krams“, „kulturimperialistischer Nonsens“ oder „Ami-Negerscheiß, der mich sehr emotionalisiert – können wir nicht die Jugend stattdessen einen Fackelzug machen lassen?“ Was die idioten vergessen: Halloween kommt aus Irland.
Ich habe mir dagegen von Halloween immer viel erhofft. Es ist ein alternatives Verkleidungsfest, das mit seinem Schwerpunkt auf familiäres, kindgerechtes Gruseln einen entspannteren Gegenpol zur verfluchten deutschen Karnevalstradition darstellt. Bei dem einen wird gesoffen wie beim wöchentlichen, traditionellen Schwanzvergleichen rechtskonservativ bürgerlicher Studentenverbindungen (es gibt sie immer noch), es werden in ungelüfteten Festzelten von einem Podium herab schlechte Witze gerissen, für die sich sogar Mario Barth schämen würde, wobei man sich in Kostüme presst, die eher aussehen wie die Berufskleidung zentralafrikanischer Diktatoren. Draußen auf der Straße grölen unzurechnungsfähige Idioten im Clownskostüm zu den misstönenden Klängen solcher zerebraler Mängelexemplare wie Micki Krause, lassen sich die unkontrolliert in die Menge katapultierten Bonbons auf die gefälschte Glatze prasseln und versuchen Minderjährige anzugrabschen.
Zu Halloween sollten sich besagte Minderjährige dagegen etwas sicherer fühlen, trotz oder gerade wegen der ganzen Gestalten, die hier um die Häuser ziehen. Während bei den winterlichen Verkleidungsorgien die Monster eher verkleidete erwachsene Menschen zweifelhafter Sozialisation sind, sind die Monster zu Halloween die Kinder selbst. Die kleinen Welpen verkleiden sich auf „gruselige“ Weise, ziehen durch die Nachbarschaft und greifen Diabetesbomben bei entzückten, älteren Damen und Herren ab. So der Gedanke.
Leider funktioniert das nicht mehr, denn so, wie viele andere Feste, ist der Grundgedanke inzwischen mehr als pervertiert. Weihnachten? Dient nur noch der Grundsanierung der Verpackungsmaterialindustrie und der Parfümerien, höchstens noch der Legitimation für Telefonseelsorge. Ostern? Mal davon abgesehen, dass die Eier und der Hase auch nichts so richtig mit dem Christentum zu tun haben, werden auch hier die Geschenke immer größer und das Ganze wird langsam aber sicher zu Weihnachtens kleinem Bruder. Nur mit Tulpen. Zu Nikolaus stellen die Kinder auch keine Schuhe mehr raus, sondern ihre überdimensionierten, ihre Fettleibigkeit umschließenden Hosen, damit neben dem kleinen, drei Zentimeter großen Schokoweihnachtsmännchen (in einigen Haushalten allerdings wäre stattdessen auch ein 20er Paket Chicken Nuggets denkbar) auch noch die Playstation hineinpasst. Pfingsten? Da weiß eh keine Sau mehr, worum es dabei ging, hauptsache frei. Himmelfahrt? Eigentlich ist es das Ende der vierzigtägigen Zugabe der Wasser-zu-Wein-Tour von Jeezus C . Es wird aber nun im Volksmund in „Vatertag“ umbenannt und dient dazu, dass kinderlose Ästhetikbremsen mit einem Bollerwagen voller harter Spirituosen um die Häuser ziehen (und meistens wegen der Nachschublage einen gewissen Radius der lokalen Tankstelle nicht mehr verlassen). Der Gesang, mit dem sie dabei versuchen ihre blechern scheppernde Boombox zu übertönen, wird in einigen Ländern als Massenvernichtungswaffe angesehen.
Und dann ist da noch Halloween. Stephen King sei hiermit dafür verflucht, dass besonders er für eine Populariserung des Gruselclowns gesorgt haben, denn nun finden sich neben frankensteinschen Monstren, Werwölfen, drittklassigen Gespenstern (Jersey-Spannbetttücher wirken einfach nicht gruselig, es sei denn man findet sie gruselig hässlich) und Marienkäfern (warum?) auch noch hunderte dieser verdammten Grinsefratzen. Alleine durch Kings „ES“ und dessen frische Verfilmung in zwei Teilen kann ich erwarten, dass, wenn es an den Türen bammelt, jede zweite Gruppe einen Pennywise dabeihat. Obwohl – meistens ist es nur irgendein halbwüchsiger Mensch im Stadium der Verpuppung („Puppertät“ oder so genannt), der gerade einmal eine übergroße Gruselmaske im Supermarkt von der Stange gerissen hat, während er ansonsten normale Straßenkleidung trägt und kein von irgendwelchen Übermuttis seit den Pfingsferien mühevoll zusammengklöppeltes Ensemble. Die Maske schlackert ihm locker um den Schädel, auf der Innenseite ist sie mit den Ergüssen aufgeschubberter Akne ausgekleidet und wird mühsam mit einer Hand festgehalten, während die andere eine abgegrabbelte Gemüseplastiktüte hält. In diese Tüte sollen nun die Kalorienmassen eingeworfen werden, nachdem das Menschenwesen die stimmbrüchige Formel „Süßes oder Saures“ hinter dem schlecht sitzenden Pennywise-Kondom hervorgebracht hat.
Dieses unbeholfen daherstolpernde deutsche „Süßes oder (es gibt) Saures“, das dem englischen „trick or treat“ entlehnt ist, ist effektive Schutzgelderpressung. „Ruiniere meinen Blutzuckerspiegel für die nächsten Wochen, bis…
- …ich mit Adventskalender und Nikolaus einen ordentlichen Refill bekomme, das muss also einen Monat halten! (Deutsche Version)
NEBENBEI: Da seit einigen Monaten die ganzen Festtagsback- und Süßwaren in den Gängen der Supermärkte das Vorankommen erschweren, tauchen auch die ersten rechtskonservativen Beschwerden darüber auf, wenn diese Figuren ihres religiösen Kontextes beraubt angepriesen werden. In den letzten Jahren waren es „Zipfelmänner„, die nun den Untergang des Abendlandes einläuteten, dieses Jahr hat sich ein lustiger Stephan die Pfoten am Adventskalender verbrandnert. Ihr Menschen seid so verbockt, dass ihr einerseits an Traditionen festhalten wollt, diese aber mit Füßen tretet. Wer von den ganzen Hetzern geht denn zu Weihnachten in die Kirche (den Tempel derer, die Jeezus MC feiern, um dessen Geburt es bei Weihnachten ja angeblich gehen soll)? Abgesehen davon, dass Brandners Adventskalender noch immer so hieß und er sich zu einer peinlichen Ausrede verleiten lassen musste, dass die Zipfelmännchen auch schon vor der so genannten „Flüchtlingskrise“ so hießen. Abgesehen davon, dass auch der inzwischen vielerorts in „Laternenumzug“ oder „Herbstumzug“ umbenannte Sankt Martins Umzug einem katholischen Heiligen gelten (was den Personenkult in der altehrwürdigen pädo… äh… katholischen Kirche angeht, kann ich mich hier nicht auch noch äußern) und es einerseits vollkommen verständlich ist, dass dies in vorwiegend protestantischen Gegenden nicht mehr so heißen soll… Mein menschlicher Mitbewohner hat sich über die ganze Angelegenheit gewundert und meinte, er sei in einer stark protestantischen Gegend aufgewachsen und da hätte das noch nie was mit diesem Martin zu tun gehabt. Abgesehen davon, dass all das tierisch aufgeblasen wird, hat das erst einmal nichts mit „Islamisierung“ zu tun, wie von da hinten rechts in der blauen Ecke gerne geschrien wird. Es hat mit Säkularisierung zu tun, einer Abkehr von staatlich tolerierter Diktatur religiöser Inhalte. Natürlich ist Mitteleuropa auf vielen traditionell christlichen Werten aufgewachsen. Nichtreligiöse Menschen (und Tintenfische, aber uns zählt ja wieder keiner… empörend!) bilden inzwischen mit etwa 37% der Bevölkerung eine der größten Gruppen in Deutschland. Auch der Staat an sich ist eigentlich zu religiöser Neutralität verpflichtet. Wer Traditionen pflegen will, darf das gerne, sollte dies aber konsequent durchziehen und nicht so ein Wischiwaschi-Christ sein, wie es die meisten sind. Andere sollen gerne in einer nicht religiösen, säkularisierten Gesellschaft existieren dürfen, in denen man Weihnachtsmänner oder Zipfelmänner kaufen und essen darf, wie es einem gefällt. Eine Islamisierung sehe ich erst, wenn die Dinger im Supermarkt „Abdul Ibn Hasan“ heißen. - …der Thanksgiving-Truthahn mit schwerer Soße, Football und einem nachfolgenden Black Friday Marathon beginnt. (Amerikanische Version, auch wenn dieses Black Friday-Gedöns auch in Deutschland Einzug hält, kaum einer aber weiß, dass diese Konsumorgie durch den Brückentag nach dem Thanksgiving-Donnerstag zustande gekommen ist.)
…oder ich bewerfe dein Haus mit Eiern oder so.“ Das war ein langer Einschub. Also nochmal: „Süßes oder Saures“ ist effektive Schutzgelderpressung: „Ruiniere meinen Blutzuckerspiegel für die nächsten Wochen, oder ich tue irgendwas, worauf ich eigentlich nicht vorbereitet bin.“ Von den schlecht verkleideten Jugendlichen hat man ja vielleicht etwas zu befürchten. Sie wären physisch immerhin in der Lage, etwas zu tun. Die restlichen herumziehenden Wesen dagegen sind mehr als harmlos. Natürlich geben alle, die die Tür öffnen, etwas Süßes für die Mini-Erpresser. Und die Kleinen würden auch nie etwas Böses tun. Warum? Weil ihnen ihre Eltern im Nacken hängen.
Wörtlich.
Insgesamt kontinuierlich abnehmenden Kriminalzahlen zum Trotz hat die gefühlte Angst vor, naja, irgendwas, kontinuierlich zugenommen und während die übermütig paranoide Elternschaft schon nicht mehr in der Lage ist, die Bratzen alleine zur Schule gehen zu lassen, sondern sie (in Ermangelung eines Leopard II) in ihren Touareg-Panzern durch den Ort rollen lassen, kreisen die Helikopter auch kaum zehn Meter hinter ihrem Nachwuchs umher und wachen darüber, dass ihnen nichts passiert.
So sehr ich auf der Spezies Eltern herumzuhacken neige, sie haben es auch geschafft, Halloween zu verkacken. In den USA lassen sie ihren Nachwuchs schauerlich verkleidet und Streiche spielend durch die Nachbarschaft ziehen, während sich die erwachsenen Menschenwesen dort gepflegt betrinken, versuchen, die klingelnden Werwölfe selbst zu erschrecken und ansonsten einfache in lustig schrulliges Fest feiern. Deutsche Eltern müssen unbedingt einen Kostümwettbewerb daraus machen. Statt die Kleinen einfach mal auf die Nachbarschaft loszulassen und es sich selbst gut gehen zu lassen, kommen sie hinterhergestiefelt, den Bollerwagen mitgezerrt, damit die fettleibige Brut nicht selbst von Haus zu Haus watscheln muss und genau darauf achtend, dass da nix passiert. Man weiß ja nie. Kein Wunder, dass sie, mit 16 endlich der Dauerüberwachung entronnen, einfach nur die Gummimaske drüberziehen und die Naschwaren am besten auf dem Heimweg schon verzehren, bevor Mama die ganze Tüte durchsuchen und alles, das Gluten oder Laktose enthält, in die Mülltonne wandern lässt.
Was mich dann so richtig grantig macht, sind die Scharen von Autos, die aus den einfacheren Vierteln in die Neubaugebiete strömen, zu Hunderten auf dem nahegelegenen Supermarktparkplatz parken und ihr Kleinvolk durch die wohlhabenderen Wohnareale ziehen lassen. Warum? Weil da vermeintlich mehr zu holen ist. Ja, es gibt einen kruden Halloween-Tourismus, mit dem Eltern ihren Kindern deutlich machen wollen, dass es Menschen gibt, die es zu mehr gebracht haben als sie selbst. Toll, wenn man sich selbst so jede Würde nehmen kann und die Blagen nun zu überzeugten Mitgliedern der Neid-Gesellschaft gemacht hat.
Oder vielleicht denken sie auch, dass in ihrem eigenen Viertel ja nur noch Syrer wohnen und die mit den „urdeutsch-christlichen“ Feierlichkeiten wie Halloween ja eh nix am Hut haben und die Kinder ja doch nur mit Messern abzustechen gedenken.
Währenddessen sitzt Abd Ibn-Hasan in der Küche und futtert frustriert die Kinderschokolade aus der noch immer übervollen Schüssel. Aber die will eh keiner haben.
Ist Laktose drin.
Ein Gedanke zu „HaLLo! WeeN.“
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