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GENESIS-MONTH IV: Steve Hackett – To Watch The Storms

Steve Hackett, das wahrscheinlich unbekannteste Mitglied der klassischen, proggigen Genesis-Zeit, hat von allen den wohl umfangreichsten Katalog vorzuweisen. In beiden Punkten wird er wohl nur von seinem Vorgänger an der Gitarre, Anthony Phillips, übertroffen, der ebenso einen opulenten Solo-Output hat, den allerdings kaum jemand kennen dürfte. Aber während Phillips an gerade zwei Alben mitwirken durfte (dem etwas unglücklichen Erstling, das eine etwas ungelenke, laienhafte spät-60er Popmischung mit gruseligen Orchesterarrangements ist und „Trespass“, dem ersten wirklichen Genesis-Album von 1970), war Hackett für sechs Alben an seiner Gibson Les Paul der Mann für alle Gitarren. Alle? Nein, nicht ganz, denn Genesis haben in damaligen Zeiten auch gerne mal einen halben Chor von den Dingern herausgepult und drei akustische, teils zwölfsaitige Gitarren am Start gehabt, um solche filigran kristallinen Strukturen zu zaubern, wie wir sie zu Beginn des Monstrums „Supper’s Ready“ von 1972 kennen. Im endeffekt war Hackett genau so viele Alben als Leadgitarrist bei der Band, wie es Alben in der später bekannten Dreier-Besetzung gab.

Hat sich Hackett mit der Band gerne mal im Hintergrund gehalten und sich dem Diktat der Gesamtwirkung unterworfen (und dem demokratischen Verständnis innerhalb der Band, das leider oft Tony Banks an den Keyboards den Vorzug gab) so lange, bis Hackett sich mehr Raum wünschte und schließlich ausstieg, hat er sich solo ganz anders entfaltet. Lange hat er die Fahne des Prog höher halten können als seine einstigen Kollegen. Genesis haben zwar, unbemerkt von den Massen, immer wieder kuriose Experimente und lange Stücke von zwölf Minuten eingebastelt (Duke-Suite, Dodo/Lurker, Home by the Sea/Second Home by the Sea, Domino, Fading Lights), aber die komischen Experimente mit schrägen Takten, die obskuren Instrumentale, die hat Hackett besser verwirklicht.

In den letzten Jahren hat er aber etwas abgebaut. Zunehmend verdingt er sich als Bewahrer der progressiven Genesis und geht mit deren altem Katalog auf die Bühne, während sein eigener Solokatalog weniger Beachtung findet. Neue Alben sind oft auf beinahe unerträgliche Weise überproduziert und klingen matschig, mit Effekten verkleistert und blutleer.

To Watch The Storms ist das wohl letzte Album, bei dem dieser Trend noch nicht wirklich spürbar war. Alles klingt klar und frisch, knackig und sauber. Hackett zeigt hier, dass seine Stärke in der Vielseitigkeit liegt. Er kann druckvoll aber auch verspielt. Hart und auch albern. Voll frontal oder romantisch entrückt. Was dabei die eigentliche Kunst ist: Trotz der vermeintlichen Widersprüche wirkt alles wie aus einem Guss.

Genesis-Month:
I. Phil Collins – Hello, I Must Be Going!
II. Tony Banks – A Curious Feeling
III. Peter Gabriel – UP
IV. Steve Hackett – To Watch The Storms
V. Genesis – Live Over Europe