GENESIS-MONTH V: Genesis – Live over Europe 2007
Ich bin ein paar Tage zu spät, aber kursierende Gerüchte mussten einfach abgewartet werden. Und siehe da, sie machen’s nochmal. Genesis haben heute eine Tour angekündigt, wobei bislang nur zehn Konzerte auf den Britischen Inseln fest stehen und über weitere Aktivitäten nur spekuliert werden kann.
Genesis sind vielen in erster Linie für scheinbar zahllose Pophits aus den 80ern bekannt (Mama, Land of Confusion, I Can’t Dance), hatten aber eine mindestens genau so lange Vorgeschichte, die zögerlich begann, aber in diesem Jahr vor sage und schreibe 50 Jahren mit Trespass (links im Bild) zu den ganz Großen des Progressive Rock aufstieg. Zu erwähnen sind da alleine solche Monolithen wie das über 20 Minuten andauernde „Supper’s Ready“ vom 1972er Album Foxtrot (2. v. l.) oder das surreale Konzeptalbum „The Lamb Lies Down on Broadway“ (1974). Nach Ausstieg des Sängers Peter Gabriel mit seinen skurrilen Geschichten und bizarren Kostümen folgten zwei weitere Alben mit Ausnahmegitarrist Steve Hackett, von nun an mit Schlagzeuger Phil Collins in Doppelfunktion am Mikro („A Trick of the Tail“ und „Wind and Wuthering“, beide von 1976, oben, Mitte). Danach waren sie nur noch zu dritt und, obwohl sie die etwas ausschweifenden Epen nach wie vor auf ihren Alben verewigten und immer mindestens ein „Longtrack“ blieb, der gerne die 10-Minutenmarke knackte, kam außerdem der Erfolg in den Charts mit Singles. Collins, vielbeschäftigt mit seiner Solokarriere, stieg Mitte der 90er Jahre aus und in einem gewagten aber vielfach ungeliebten Experiment verplichtete man einen neuen Sänger, Ray Wilson. Das Album, „Calling all Stations“, und die dazugehörige Tour werden gerne ignoriert (was eigentlich schade ist). Schon 2007 kam es zur Wiedervereinigung des Trios, das damals verstärkt durch die langjährigen Livemusiker Daryl Stuermer und Chester Thompson auf Tournee ging. Statt Thompson ist diesmal Phils eigener Sohn Nic dabei, der ihn schon auf seiner lang anhaltenden Solo-Tournee das Drumkit quälte. Phil Collins selbst, einst einer der besten Schlagzeuger überhaupt, der einst nur widerwillig den Part des Frontmanns übernahm, kann leider nicht mehr so, wie er und andere wohl wollen.
„Live over Europe“ dokumentiert die „Turn it on again“-Tour von 2007, die natürlich einige Standards des Repertoires, also eine Art Best Of wiedergibt. Aber die Band spielte seinerzeit auch Songs aus der langen Vergangenheit und große Teile des Albums „Duke“ (1980, ganz rechts) gehörten zu den unverhofften Highlights. Ein paar Klassiker wie das epische „In the Cage“ oder der bombastische Instrumentalknaller „Los Endos“ wurden, nachdem nach 1987 nicht mehr live gespielt, wieder hinzugefügt. Mit „Domino“ und „Home by the Sea“ waren die 80er Jahre Longtracks auch gut vertreten. Hinzu kamen einige weitere Überraschungen, wie das wunderschöne „Ripples“ oder der bittersüße Abschluss „Carpet Crawlers“. Trotz einiger populärer Crowdpleaser war die Setlist progressiver als befürchtet und zeigte eine schöne Retrospektive, die auch die Gabriel-Jahre nicht unberücksichtigt ließ und mit einem angespielten „Stagnation“ (wie seit langem als Teil von „I know what I like“ gespielt und von den Massen mitgesungen) sogar das „erste richtige“ Album „Trespass“ besuchte (der eigentliche Erstling „From Genesis to Revelation“ war nicht so richtig der Rede wert).
„Live Over Europe“ ist ein schönes Zeugnis einer langen und sehr facettenreichen Bandgeschichte. Was die Herren (alle inzwischen um die 70 Jahre alt) Ende dieses Jahres auf die Bühne bringen, kann nur mit Spannung erwartet werden. Ob sie es danach auch in hiesige Gefilde schaffen, erst recht. Spannend bleibt es auf jeden Fall.
Genesis-Month:
I. Phil Collins – Hello, I Must Be Going!
II. Tony Banks – A Curious Feeling
III. Peter Gabriel – UP
IV. Steve Hackett – To Watch The Storms
V. Genesis – Live Over Europe